Rassismus trifft auch Spitzensportler*innen
Der ehemalige Fußballprofi und heutige Trainer Otto Addo war am Mittwoch (27. Oktober) Gast des May Ayim Ring Münster. In einer Veranstaltung im Stadion des SC Preußen Münster diskutierte der Co-Trainer der Fußballnationalmannschaft Ghanas unter anderem mit dem Präsidenten des SC Preußen Münster (SCP), Christoph Strässer.

„Nazis raus“: Preußenfans engagieren sich gegen Rassismus im Stadion
Strässer verdeutlichte in seiner Begrüßungsansprache, dass es seinem Verein in den vergangenen Jahren gelungen sei, eine antirassistische Grundstimmung auf den Tribünen zu schaffen. Dies unter anderem durch die Fangruppen und insbesondere dem Fanport, der inzwischen seit zehn Jahren im Schatten des Stadions sich sozialpädagogisch engagiert. Als kurz vor Corona ein Fan einen Schwarzen Spieler des Gastes aus Würzburg beleidigte, war das „ganze Stadion“ (Christoph Strässer) aufgestanden und habe „Nazis raus“ skandiert. Für diese Solidarität mit einem Gästespieler ehrte sogar der Deutsche Fußballbund den SCP und seine Anhängerschaft.

Otto Addo, Toptalente-Trainer bei Borussia Dortmund und seit Anfang Oktober zudem Co-Trainer der „Black Stars“, der Fußballnationalmannschaft Ghanas, für die Addo in seiner aktiven Zeit selbst auflief, wurde zunächst von Vera Szybalski interviewt. Dabei standen der Lebensweg Addos, seine Erfolge als Sportler (unter anderem Deutscher Fußballmeister mit dem BVB als Spieler sowie im Mai DFB-Pokalsieger als Dortmunder Co-Trainer) aber auch seine Erfahrungen mit Rassismus im Zentrum.
Otto Addo entschied sich früh, für Ghana anzutreten
Auf Szybalskis Frage „Warum haben Sie sich, anders als zum Beispiel der in Ghana geborene Asamoah, für die Nationalmannschaft von Ghana entschieden?“, antwortete Otto Addo: „Ich spielte ja mit Hannover 96 noch in der zweiten Liga, als ich mich entschied, für Ghana anzutreten. Es war einfach das Gefühl bei mir, dass ich von der deutschen Gesellschaft nicht so wie ich bin akzeptiert wurde. Vera Szybalski hakte nach: „1907 im Spiel in Cottbus (Otto Addo und Gerald Asamoah traten für 96 an) flogen Apfelsinen auf das Spielfeld. Rassistische Sprechchöre, in denen auch das N-Wort fiel, von einer ganzen Tribüne. Selbst rassistische Sprüche von Gegenspielern. Wie haben Sie das verarbeitet? Hat Sie das lange beschäftigt?“
Rassismuserfahrungen gehören seit der Kindheit zum Leben von Otto Addo

„Natürlich habe ich in der Kabine nicht nur mit Gerold darüber gesprochen. Was mir von damals noch in Erinnerung ist, ist dass es keine richtigen und vor allem schnelle Entschuldigungen gab. Auch der DFV, die Landesverbände und der gastgebende Verein haben nur zögerlich oder überhaupt nicht reagiert. Schlimmer war für uns beiden vielleicht sogar die sportliche Niederlage auf dem Feld – schließlich müssen wir Schwarzen Fußballer – damals wie heute – diese diskriminierenden, rassistischen Anfeindungen in fast jedem Spiel aushalten.“
Im Preußen-Stadion wiederholte Otto Addo auf die Frage nach Raissismuserfahrungen als Kind und junger Fußballer eine Antwort, die er im Mai im Interview mit den Ruhr-Nachrichten gegeben hatte: „Ich musste mich erstmal prügeln, dann gut Fußballspielen und dann war ich akzeptiert. Meine Schwester und ich waren die einzigen Schwarzen auf der ganzen Schule. Ich musste mich erstmal beweisen, egal, wo ich hinkam – in der ersten Klasse, der Vierten, der Gymnasialstufe. […] Ich war das auch im Fußball gewohnt, beleidigt zu werden. Das war für mich leider normal. In der Hälfte der Spiele ist das passiert, in der anderen nicht. Für mich war es das Größte, wenn ich trotzdem als Sieger vom Platz ging. Das war für mich das Beste.“
„Ihr stinkt!“
Rassismus war für ihn als Kind allgegenwärtig. Seine Schwester und er waren die einzigen Dunkelhäutigen auf ihrer Schule. Da musste ich mich erst mal behaupten, da gab es anfangs die eine oder andere Schlägerei, wenn jemand mich oder meine Schwester beleidigte: Das N‑Wort fiel oft, andere sagten: „Ihr stinkt!“ Auch seine Schwester, heute eine erfolgreiche Ärztin, die in den USA lebt und praktiziert, habe nur Dank des großen Engagements der alleinerziehenden Mutter der beiden Addos ihren Karriereweg beschreiten können. „Ich war ganz gut in der Schule. Meine Schwester hatte aber ein paar kleinere Probleme. Ergebnis war, dass sie in der Vierten keine Empfehlung für das Gymnasium bekam. Weiße Kinder mit dem gleichen Notenschnitt hingegen schon.“
Diese Zeiten seien zum Glück vorbei. Doch auch heute mache er immer noch Erfahrungen, die er ausschließlich mit seinen dunkelhäutigen Freunden teile. „Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür für gewisse Situationen und weiß, bestimmte Blicke oder Gesten einzuordnen. Wenn ich in eine teurere Boutique gehe, merke ich, dass mich einige Mitarbeiter ganz besonders im Auge behalten, weil sie offenbar befürchten, ich könnte etwas klauen. Auch wenn ich etwas gekauft habe, ist es gut, wenn ich den Kassenbon bei mir habe.“
Auch eine Geschichte, die Otto Addo dem Fußball-Magazin „11 Freunde“ erzählt hatte, wurde von ihm angesprochen: „Meine Familie und ich besuchten Freunde in Mönchengladbach. Auf der Rückfahrt kam uns auf der Landstraße ein Polizeiauto entgegen und drehte dann sofort um. Wenn man solche Situationen häufiger erlebt hat, weiß man sofort, was kommt. Und so war es auch. Wir wurden angehalten und anschließend über zehn Minuten dort festgehalten – weil wir die Ausweise unserer Kinder nicht dabei hatten. Wer nimmt die schon mit, wenn er mal Freunde besucht? Es war schon spät, unsere beiden Jungs mussten am nächsten Tag in die Schule. Als weiße Familie wäre uns das so nie passiert. Unser Alltag sieht einfach anders aus – auch heute noch.“

Schwarze – wie alle BiPoC – erlebten Rassismus täglich
Dem Interview schloss sich eine rege Diskussion mit dem Publikum an, wobei natürlich auch Fragen zum Fußball eingestreut wurden. Im Kern diskutierte die Runde aber konzentriert, was getan werden muss: Aufklärung, Gespräche, Veranstaltungen, wie die auf der sich die Teilnehmer*innen befanden, und das kritsche Überprüfen der eigenen Haltungen und Aussagen würden helfen, den alltäglich von Schwarzen und BiPoC erlebten Rassismus zu bekämpfen.
